
Ohrenentzündungen beim Hund – Synonym: Otitis externa
Ohrenentzündungen bei Hunden sind eine häufig auftretende Erkrankung, die oft relativ spät erkannt wird und in vielen Fällen unterbehandelt bleibt. Im Fall einer langanhaltenden Entzündung leidet das betroffene Tier unter chronischen Schmerzen, die bis zur Kopfscheu oder gar Aggression führen können.
Unterschiedliche Faktoren sind für die Entstehung und andere Faktoren für die Unterhaltung einer Ohrentzündung verantwortlich. Um eine dauernde Kontrolle der Ohrentzündung zu erlangen, ist die Erkennung der Ursache von größter Bedeutung.
Die Anatomie des Hundeohres
Das Ohr dient der Leitung und Lokalisation von Schallwellen. Es besteht aus dem äußeren Ohr, dem Mittelohr und dem Innenohr. Letzteres beherbergt nicht nur das eigentliche Gehör sondern ist auch der Sitz des Gleichgewichtsorgans. Den äußeren Abschluss des Ohres bildet die Ohrmuschel (Pinna), eine knorpelige mit normaler Haut überzogene Struktur. Der Ohrkanal des Hundes ist im Vergleich zum Menschen deutlich länger. Je nach Hunderasse variiert seine Länge zwischen 5 cm und 10 cm. Der Innendurchmesser liegt bei 0,5 cm bis 1 cm. Der Ohrkanal verläuft L-förmig. Der lange Schenkel des L’s wird als vertikaler, der kurze Schenkel als horizontaler Ohrkanal bezeichnet. Der gesamte Kanal ist ein mit Knorpel eingefasster Tunnel, der mit dem Trommelfell abschließt. Diese dünne Membran trennt das äußere Ohr vom Mittelohr.
Im Unterschied zur normalen Haut ist die Ohrhaut (Ohrepithel) mit weniger Haaren, dafür mit umso mehr Drüsen ausgestattet. Diese Ceruminaldrüsen übernehmen die Ohrschmalzproduktion. Das Mittelohr ist ebenfalls mit einer dünnen Hautschicht ausgekleidet und liegt geschützt in der knöchernen Paukenhöhle (Bulla).
Symptome einer Ohrentzündung
Die ersten Anzeichen einer Ohrentzündung sind in der Regel heftiges Schütteln des Kopfes, Kratzen an Kopf und Ohren, eine gerötete Ohrmuschel oder starker Geruch. Ohrentzündungen können sehr schmerzhaft sein und dazu führen, dass die betroffenen Hunde kopfscheu oder gar aggressiv reagieren.
Die Ohrentzündung, eine Faktorenkrankheit
Bei Ohrentzündungen werden veranlagungsbedingte (prädisponierende) primär verursachende und unterhaltende (perpetuierende) Faktoren unterschieden. Veranlagungsbedingte Faktoren fördern die Entwicklung einer Ohrentzündung, können aber alleine keine Otitis auslösen.
Zu den prädisponierenden Faktoren gehören die anatomischen Verhältnisse wie z. B. enge Gehörkanäle, stark abgeknickter vertikaler Ohrkanal, stark behaarte Ohrkanäle, schwere Schlappohren oder eine hohe Anzahl an Ceruminaldrüsen.
Weitere prädisponierende Faktoren können durch die Manipulation am Ohrkanal entstehen. So schädigen manche Ohrreiniger die empfindliche Haut im Ohrkanal. Auch das Herauszupfen der Haare aus dem Gehörkanal kann die empfindliche Haut schädigen und zu einer mechanischen Haarbalgentzündung führen. Auf die Verwendung vom Wattestäbchen zur Reinigung des Hundeohres sollte grundsätzlich verzichtet werden, da damit nur der Ohrschmalz in die Tiefe geschoben wird oder gar der empfindliche Ohrkanal verletzt wird.
Die primären Faktoren sind verantwortlich für die Entstehung einer Otitis. Sie verursachen die Otitis, ohne dass prädisponierende Faktoren vorhanden sind. Die primären Faktoren verändern das Mikroklima im Ohr und induzieren Entzündungen mit Folgeinfektionen. Aus diesem Grund kann eine Otitis externa nur dann erfolgreich und langfristig abheilen, wenn die Primärfaktoren erkannt und kontrolliert werden. Wichtige Primärfaktoren sind in erster Linie allergische Hautprobleme wie die Futtermittelallergie oder die atopische Dermatitis, Ohrmilben, Fremdkörper, Verhornungsstörungen und Tumore im äußeren Gehörkanal bzw. im Mittelohr.
Die perpetuierenden Faktoren unterhalten die Ohrentzündung auch dann, wenn die Primärerkrankung bereits abgeheilt ist, bzw. verschlimmern eine bereits bestehende Entzündung. Zu den wichtigsten Faktoren gehören in erster Linie Hefepilze und Bakterien. Eine Otitis externa erfolgreich zu behandeln bzw. einen Rückfall zu verhindern gelingt nur, wenn all diese Faktoren erkannt und kontrolliert werden.
Untersuchung von Patienten mit Otits externa
Bei der ersten Untersuchung eines Hundes, der wegen einer Otitis vorgestellt wird, wird die Vorgeschichte aufgenommen und anschließend der Patient einer Allgemein- und dermatologischen Untersuchung unterzogen. Besonderes Augenmerk gilt hierbei der Haut von Kopf, Achseln, Zwischenzehenspalten und Bauch, da diese Bereiche bei Allergikern häufig entzündet sind und damit eine mögliche allergische Komponente der Otitis untermauern können.
Nach dem Abtasten der Ohrmuschel und des Ohrkanals wird das Ohr mit einer Lampe inspiziert. Moderne mit einer Vergrößerungsoptik ausgestattete Videootoskope erleichtern hier die Befunderhebung. Mittels Abstrich und Tupferprobe wird das Ohrsekret mikroskopisch untersucht.
Das Aussehen des gewonnenen Ohrexsudates kann bereits Hinweise auf mögliche Erreger geben. So ist beim Befall mit Ohrmilben typischerweise reichlich schwarzes krümeliges Ohrsekret vorhanden, bei Hefepilzinfektionen ist das Sekret dunkelbraun wachsartig und riecht nach ranzigem Fett. Bei bakteriellen Entzündungen ist es gelblich bis grünlich eitrig.
Auf Grund dieser klinischen Befunde können weitere Laboruntersuchungen veranlasst werden, die die Auswahl eines geeigneten Ohrreinigers bzw. Medikamentenkombination erleichtern.
Weiterführende Untersuchungsmöglichkeiten, die bei chronischen Otitis-Patienten eingesetzt werden sind das Röntgen, in seltenen Fällen auch mal die Computertomographie um Veränderungen der Bulla (Paukenhöhle) bei einer Mittelohrentzündung abzuklären.
Ausgewählte Beispiele von Ohrerkrankungen
Allergische Otitis
Die allergische Otitis ist mit Sicherheit die häufigste primäre Ursache für Ohrentzündungen beim Hund. Es handelt sich um eine akute bis chronische meistens beidseitige Entzündung, die mit Rötung der Pinna und Juckreiz einhergeht. Bei der allergischen Otitis sind in über 80% der Fälle noch andere Hautstellen entzündlich verändert. Typischerweise sind dies die Zwischenzehenhäute der Pfoten, die Achselhöhlen, die Innenschenkel und das Gesicht.
Wenn die allergische Entzündung nicht kontrolliert wird, kommt es zur übermäßigen Vermehrung von Keimen der körpereigenen Flora (Hefen und Bakterien), die in dem entzündeten Ohrkanalmilieu ideale Lebensbedingungen finden. Falls die Otitis nicht oder nur unzulänglich behandelt wird, kommt es zur chronischen Entzündung mit Vermehrung und Vergrößerung der Ceruminaldrüsen, zur Verengung des Ohrkanals und zur Überwucherung mit aggressiven Keimen. In der Regel werden bei akuten Otitiden zuerst Hefen gefunden, später dann Kokken und im Endstadium auch sehr aggressive Bakterien wie z. B. die gefürchteten Pseudomonaden, welche sehr schnell gegen die meisten Antibiotika resistent werden.
Die erste therapeutische Maßnahme enthält die Behebung der perpetuierenden Faktoren, also der Infektion. Mittels Medikamenten können Bakterien und Hefen relativ einfach eliminiert werden. Eine Behandlung muss jedoch über mindestens 2–3 Wochen hinweg erfolgen. Das Ende der Behandlung sollte möglichst videoendoskopisch kontrolliert werden, um vorzeitigen Rückfällen vorzubeugen.
Die Behandlung der allergischen Dermatitis besteht einerseits in der symptomatischen Kontrolle von Juckreiz und Hautrötung mittels geeigneter Medikamente oder der Spezifischen Immuntherapie (Desensibilisierung). Hierbei handelt es sich um eine regelmäßige Impfung, welche mit den in einem Allergietest eruierten Allergenen als lebenslange Therapie erfolgen muss.
Fremdkörper
Fremdkörper sind häufig bei jungen aktiven Hunden aufzufinden. Die Erkrankung, die typischerweise nur ein Ohr betrifft, beginnt sehr akut mit heftigem Kopfschütteln, Kopfschiefhaltung und Schmerz. Die häufigsten Fremdkörper sind Gräser, die sich mit ihren Fortsätzen in der Gehörkanalwand verhaken. Seltener findet man Dreck, Sand oder Zecken im Ohrkanal. In frischen Fällen können die Fremdkörper mit dem Vidoendoskop entfernt werden.
Fremdkörper im weiteren Sinne sind auch Polypen. Dies sind gutartige von der Haut ausgehende Wucherungen, die aus dem Mittelohr durch das Trommelfell in den äußeren Gehörgang dringen. Die Entfernung dieser Polypen erfolgt in der Regel durch chirurgische Eröffnung der Bulla.
Ohrmilben
Die Infektion mit Ohrmilben (Otodectes) als Primärursache für eine Otitis ist bei Hunden weniger häufig als bei Katzen. Die Parasiten leben auf der Hautoberfläche in Ohrkanal und lassen sich in akuten Fällen einfach mit dem Videoendoskop erkennen. Bei chronischen Fällen ist das Erkennen der Milben schwieriger, da die perpetuierenden Faktoren wie Vergrößerung der Ceruminaldrüsen, Ohrkanalverengung und bakterielle Infektionen das Auffinden der Parasiten erschweren.
Sarkoptesräude
Die Sarkoptesräude ist ebenfalls eine Milbenerkrankung der Haut des Hundes. Der Parasit, eine mikroskopisch kleine Milbe, wird über direkten Kontakt oder über kontaminierte Gegenstände übertragen. Die weibliche Milbe gräbt Tunnel in die oberste Hautschicht, an deren Ende sie Eier ablegt. Nach dem Schlupf der jungen Milben wandern sie zur Paarung an die Hautoberfläche. Die Sarkoptesräude ist eine Zoonose, das heißt, eine Übertragung auf den Menschen ist möglich. Das klinische Bild der Sarkoptesräude ähnelt den Befunden einer allergischen Otitis sehr und lässt sich nur durch weitergehende Laboruntersuchungen abgrenzen.